Donnerstag, der 10.11.2016
Echt
beschissenes Wetter heute. Mein Freund und ich machen uns auf den Weg
von Berlin nach Hof. Wir haben die nächste Studiosession vor uns,
bei einem guten Freund und seiner Familie in Hof. Wir machen es uns
so gut es geht gemütlich im Fernbus. Nach bald 4 Stunden Fahrt in
einem mal wieder randvollem Bus, stupst mich mein Freund von der
Seite an und reist mich aus meinem Film, den ich voller
Aufmerksamkeit auf meinem Tablet verfolgt habe. „Der Zoll“ sagt
er. Ich schau rasch aus dem Fenster und sehe den Zollwagen vor uns
und das #bittefolgen Schild leuchten. Ich merke, wie mein Puls hoch
geht. Das passiert eigentlich immer, wenn ich kurz davor stehe mit
der Polizei oder einer ähnlichen Behörde in Kontakt zu kommen.
Meine bisherigen Erfahrungen in dieser Richtung sind meistens eher
weniger angenehm für mich abgelaufen. Wir fahren von der Autobahn ab
und landen letztendlich in einer abgelegenen Zollhalle. Die Leute im
Bus fangen an zu tuscheln. Ich bin genervt. Wir sind etwa 40 km vor
Hof. Der Tag war lang und mein Rücken schmerzt. Ein Zollbeamter
betritt den Bus, greift sich beim Fahrer das Mikrofon und sagt:
„Hallo und herzlich willkommen zur Zollkontrolle“. Hält sich ja
für ganz witzig! Er erklärt das Prozedere. Zwei weitere Zollbeamte
steigen in den Bus und sammeln alle Ausweise ein. Na klasse! Das
letzte Mal, als im Bus mein Ausweis kontrolliert wurde, war das an
der tschechischen Grenze und mein Ausweis wurde so oft hin und her
gedreht und mir ins Gesicht geglotzt, um zu wissen, ob ich das
wirklich bin auf dem Bild, dass mir nur beim Gedanken daran schon
wieder übel wird.
Sie
kommen also herum und sammeln alle ein. Dann müssen alle Leute Reihe
nach Reihe aus dem Bus aussteigen und das Handgepäck mitnehmen.
Unser restliches Reisegepäck wurde von weiteren Kollegen bereits aus
dem Gepäckfach geholt und in einer Reihe neben dem Bus platziert.
Mein Freund und ich sitzen ganz hinten im Bus (vorletzte Reihe). Vor uns ein schwarzer Mann mittleren Alters, hinter uns ein junger Mann, der von den meisten Menschen hier wohl als arabisch gelesen wird. Schräg vor uns sitzt ein weißer junger Typ mit Dreadlocks und hinten rechts in der Ecke ein junges vermutlich deutsch-türkisches Mädchen, etwas Antifa angehaucht.
Mein Freund und ich sitzen ganz hinten im Bus (vorletzte Reihe). Vor uns ein schwarzer Mann mittleren Alters, hinter uns ein junger Mann, der von den meisten Menschen hier wohl als arabisch gelesen wird. Schräg vor uns sitzt ein weißer junger Typ mit Dreadlocks und hinten rechts in der Ecke ein junges vermutlich deutsch-türkisches Mädchen, etwas Antifa angehaucht.
Ich
nehme diese Beschreibungen vor, um zu verdeutlichen, was später
passiert.
Der
Dreadhead wird gebeten auszusteigen. An seinem Platz liegt ein
kleines schwarzes Täschchen. „Ist das ihrs?“ fragt einer der
Zollbeamten den jungen Mann. „Nein, das gehört eventuell der Dame,
die vor mir saß“. Er soll warten und das Täschchen wird erst
einmal durchsucht, um anschließend noch mal mit der Taschenlampe
sicher zu gehen, dass der kleine Kiffer hier nix liegen gelassen hat.
Meine Laune sinkt stetig.
Letztendlich
schaffen wir es auch endlich mal aus dem Bus. Draußen werden wir
aufgefordert unser Handgepäck zu unserem Reisegepäck zu legen. Tun
wir. Der Junge vermutlich arabischer Herkunft legt sein Handgepäck
neben unseres und ein Zollbeamter sagt mit aggressiver Stimme: „Ist
das dein Gepäck?“ Der junge Mann verneint dies und erklärt, dass
er nur Handgepäck dabei hat. „Dann kommt das hier rüber!“ sagt
der Zollbeamte laut, packt ihn etwas grob am Arm und „geleitet“
ihn zum Ende der Gepäckschlange.
Wir
gehen auf die andere Seite des Busses, um bei den anderen Fahrgästen
zu warten. Ich zünde mir eine Zigarette. Ich bin genervt und sage zu
meinem Freund: „Hast du gesehen, wie der mit dem jungen Mann
umgegangen ist?“ Er nickt. Die restlich Zeit schimpfe ich vor mich
hin und schau den Drogenspürhunden zu, wie sie an den Gepäckstücken
schnuppern. Endlich vorbei, denke ich, als die Hunde wieder in ihren
viel zu winzigen Autokäfigen Platz nehmen. Aber falsch gedacht! Alle
sollen ihr Gepäck nochmal durch einen Scanner schicken. So wie am
Flughafen. Im Ernst jetzt? Was soll das denn?
Nun gut.
Eine Schlange formiert sich. Ich schaue über die Schulter und sehe,
dass einzelne Personen bereits gebeten wurden, ihr Gepäck zu öffnen
und die Jacken- und Hosentaschen auszuleeren. Und wen sehe ich da?
Das Antifamädchen und den Dreadhead. So eine Überraschung. Ein paar
Meter vor uns in der Schlange stehen der schwarze Mann und der
arabisch anmutende Junge. Ich sage zu meinem Freund in mittlerweile
sehr sarkastischem Tonfall: „Wollen wir wetten, wer noch
kontrolliert wird?“
Und zu meiner Nicht-Überraschung werden wir Zeug*innen von Racial Profiling in Reinstform. Ich bin empört aber nicht verwundert.
Und zu meiner Nicht-Überraschung werden wir Zeug*innen von Racial Profiling in Reinstform. Ich bin empört aber nicht verwundert.
Ich bin
dran, mein Zeug auf das Band zu legen. Ich schaue die Zollbeamten
wütend an. Sie schauen gelangweilt zurück und geben mir meinen
Rucksack. Ich darf wieder einsteigen.
Ich
steige in den Bus. Ich bin stocksauer und empöre mich im Bus
lautstark darüber was hier abgeht. Foto- und Videoaufnahmen sind
verboten, wurde uns zuvor erklärt. Wundert mich nicht. Soll ja
keiner sehen, wie das hier so läuft, richtig?
Ich höre
ein Telefonat mit, von dem Antifamädchen auf der Rückbank. Sie
erklärt der Person am anderen Ende der Leitung, was hier gerade
passiert und wie das nicht angehen kann. Ich möchte es ihr gleich
tun. Ich versuche meine Freundin Lilly anzurufen aber erreiche sie
nicht. Dann rufe ich meine Mutter an und lasse meinem Frust freien
Lauf. Sie ist schockiert. Ich bin wütend.
Wir
legen auf und ich schau weiter aus dem Fenster. Beobachte das
Geschehen ganz genau. Sie wühlen in den Klamotten des schwarzen
Mannes herum und schauen in jede noch so kleine Hosentasche. Wir sind
mittlerweile seit einer halben Stunde hier.
Es ist
sehr still im Bus geworden. Alle sitzen da und warten. Fast alle
sitzen wieder im Bus. Nur einer fehlt. Der Junge hinter mir, gerade
mal 18 oder 19 schätze ich, wird weiter durchsucht. Ich beobachte,
wie er in ein Badezimmer geführt wird mit der Aufforderung sich zu
entkleiden. Ich finde keine Worte mehr, um meine Wut zu beschrieben.
4 Beamte folgen ihn in den Raum. Ein paar Minuten später hat er
seine Kleidung wieder an und wird in einen weiteren Raum geführt.
Wozu dass nun? Was soll das alles? Frage ich meinen Freund. Aber
natürlich ist mir absolut klar, was hier gerade passiert. Die
nicht-weißen Personen aus dem Bus sollen ja nicht vergessen, wo sie
hier sind und vor allem was sie sind und was nicht. Wir sind
Menschen, die unter Generalverdacht stehen, Drogen zu schmuggeln. Die
ganz sicher Dreck am stecken haben und wo man immer etwas genauer
hinsehen muss. So passiert bei dem jungen Mann, der noch immer nicht
zurück im Bus ist.
Wir sind
definitiv keine aufrechten Bürger bei denen es ein Verdachtsmoment
geben muss, um solche Untersuchungen zu rechtfertigen. Wir haben auch
nicht das Recht zu fragen, was das alles soll. Wir dürfen schön
ruhig sein und diesen Scheiß über uns ergehen lassen. Mir ist
schlecht.
Der junge Mann steigt in den Bus ein und läuft durch die Reihen, um wieder auf seinem Platz hinter uns in der letzten Reihe platz zu nehmen. Alle Fahrgäste schauen betreten nach unten. Keiner sagt etwas. Ich frage den Jungen als er sitzt, ob alles ok bei ihm ist. Er schüttelt den Kopf, antwortet mit nein, um sich direkt im Anschluss zu entschuldigen, dass wir warten mussten, wegen ihm. Ich sage, er soll sich nicht entschuldigen. Das was passiert ist, ist nicht seine Schuld und war absolut nicht ok. Er schaut traurig aber versucht sich ein Lächeln abzugewinnen.
Der junge Mann steigt in den Bus ein und läuft durch die Reihen, um wieder auf seinem Platz hinter uns in der letzten Reihe platz zu nehmen. Alle Fahrgäste schauen betreten nach unten. Keiner sagt etwas. Ich frage den Jungen als er sitzt, ob alles ok bei ihm ist. Er schüttelt den Kopf, antwortet mit nein, um sich direkt im Anschluss zu entschuldigen, dass wir warten mussten, wegen ihm. Ich sage, er soll sich nicht entschuldigen. Das was passiert ist, ist nicht seine Schuld und war absolut nicht ok. Er schaut traurig aber versucht sich ein Lächeln abzugewinnen.
Nach
einer ¾ stunde Aufenthalt macht sich der Bus auf den Weg nach Hof.
Den Rest der Fahrt bin ich sehr still. In Gedanken versunken.
Gekränkt, verletzt. Ich frage mich kurz, warum sie mich nicht
kontrolliert haben. Und die Antworten darauf kommen mir schnell in
den Sinn. Ich habe meine Haare am morgen geglättet, ich bin eine
Frau und vor allem, bin ich mit meinem weißen Freund unterwegs.
Wir
kommen in Hof an. Beim zusammenpacken meines Handgepäcks,
verabschiede ich mich bei dem jungen Mann hinter mir, der mich immer
noch sehr verschüchtert anlächelt. Mein Freund und ich sind die
Einzigen, die hier aussteigen. Der Rest fährt weiter nach München.
Den Rest
des abends bin ich betrübt. Ich bin wütend. Ich bin wütend auf die
Zollbeamten, denen ich nichts entgegensetzen konnte, um mich selbst
nicht in Gefahr zu bringen und die wie immer nur gesagt hätten: „Wir
machen nur unseren Job“. Ich bin enttäuscht, dass niemand in
diesem Bus es für nötig hielt, den Mund auf zu machen. Alle haben
da gesessen, die weißen Omis mit ihren Handtaschen und die Studentin
und der Typ neben ihr, die die ganze Fahrt über flirten und darüber
reden, wo sie überall mal hinreisen wollen. Na schön für euch!
Für euch ist das ein Abenteuer. Ihr werdet behandelt wie Gäste. Menschen wie wir dürfen froh sein, dass sie überhaupt hier sein dürfen. Sollen dankbar sein, was wir hier alles haben. Das bisschen Erniedrigung kann man da schon mal ertragen.
Die Nacht über habe ich Alpträume und Flashbacks und die Wahl von Trump als Präsident der Vereinigten Staaten trägt nicht dazu bei, dass ich mit weniger Angst die Augen schließe. Nicht heute Nacht.
Für euch ist das ein Abenteuer. Ihr werdet behandelt wie Gäste. Menschen wie wir dürfen froh sein, dass sie überhaupt hier sein dürfen. Sollen dankbar sein, was wir hier alles haben. Das bisschen Erniedrigung kann man da schon mal ertragen.
Die Nacht über habe ich Alpträume und Flashbacks und die Wahl von Trump als Präsident der Vereinigten Staaten trägt nicht dazu bei, dass ich mit weniger Angst die Augen schließe. Nicht heute Nacht.